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ARMuT von Hans Henny Jahnn
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Das Moderne Theater Tirschenreuth e.V. präsentiert:
Armut, Reichtum, Mensch und Tier
ein Theaterstück von Hans Henny Jahnn
in der Inszenierung von Nikol Putz
Premiere am Donnerstag, 24. Juni 2004,
im Theater am Luitpoldplatz,
eine Veranstaltung des Modernen Theater Tirschenreuth e.V.
Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse im Landkreis Tirschenreuth, Raiffeisenbank im Stiftland eG und der Firma Hamm AG Tirschenreuth.
Die Besetzung, in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens:
- Theaterdirektor, Yngve der Troll, Viehhändler, Engel, Landstreicher: Gabriele Saller
- Brönnemann, Wassergeist: Karl Jäger
- Tunrider, Wassergeist: Luitgard Bauer
- Manao Vinje: Florian Winklmüller
- Trygve, erster Jungbauer: Andreas John
- Arne, zweiter Jungbauer: Johannes Lindner
- Olaf, dritter Jungbauer: Jürgen Steinhauser
- Sofia Fuur: Christina Kühn
- Marius, Sofias Vater: Willi Zintl
- Helga, ihre Mutter: Christl Gleißner
- Anna Frönning: Gabi Kraus
- Gunvald Tosse: Gregor Schraml
- Ole, Vinjes Knecht: Franz Hackl
- Jytte, junge Frau aus der Stadt: Inge Rankel
- Kinder der Familie Fuur. Kinder aus Tirschenreuth
Instrumentalisten:
- Geige: Friedrich Söllner / Siegbert Bauer
- Einzeltonakkordeon, Vokalistin: Marianne Schnurrer
- Kontrabass: Franz Heinrich
- Hackbrett: Luitgard Bauer
Stabliste:
- Regie und Bühnenraum: Nikol Putz
- Musik, Arrangements: Maximilian Schnurrer
- Regieassistenz: Brigitte Zeidler
- Produktionsleitung: Gabriele Saller
- Kostüme: Andrea Schröpf
- Requisite: Christl Gleißner
- Bühnenmeister, Bühnenbau: Willi Zintl
- Bühnentechnik: Karl und Marco Schwägerl, Horst Schafferhans
- Beleuchtung: Tobias Schwägerl, Martin Dittmann, Günther Kraus
- Ton, Video: Susanne Storch, Frank Jaudzims
- Maske: Sandra Gürster, Team Ingrid Schulz
- Öffentlichkeitsarbeit: Andreas John, Oliver Winklmüller
- Filmassistenz: Anja Saller
- Plakatmotiv: Rudolf Jäger
- Druck der Printmedien: Druckerei Kohl
Plakatmotiv
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Zeit: in der zweiten Hälfte des 20. Jh.
Ort: in den hohen Bergen und am Strand, in einer kleinen Stadt; Norwegen oder anderswo
Aufführungsdauer: ca. 2 ¾ Stunden, Pause nach dem 2. Akt, 6. Szene
Aufführungsrechte beim Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
Der Autor
Hans Henny Jahnn (* 17. Dezember 1894 in Stellingen / heute Teil Hamburgs; † 29. November 1959 in Hamburg) war ein deutscher Schriftsteller, bedeutender Orgelbauer, Musikverleger (er pflegte insbesondere die Werke Dietrich Buxtehudes und Carlo Gesualdos), Hormonforscher, Pferdezüchter und Landwirt.
Der Sohn eines Schiffbauers emigrierte 1915 nach seinem Schulabschluss nach Norwegen, da er als überzeugter Pazifist dem 1. Weltkrieg entgehen wollte. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg 1918 versucht er 1919 gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Gottlieb Friedrich Harms eine quasi-religiöse Agrarkommune namens UGRINO zu gründen, die Pläne scheitern allerdings. Im gleichen Jahr veröffentlichte er sein erstes Drama, Pastor Ephraim Magnus, für das er 1920 mit dem in der Weimarer Republik renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet wurde. Von 1922 bis zum Verlust seines Amtes 1933 bestritt Jahnn seinen Lebensunterhalt hauptsächlich als amtlicher Orgelsachverständiger und Orgelbauer und verfasste parallel dazu sowohl den größten Teil seines dramatischen Werkes als auch den (unvollendet gebliebenen) Roman Perrudja.
Obwohl sein Verhältnis zum Nationalsozialismus von Ambivalenz auf Gegenseitigkeit geprägt war (er war u.a. Mitglied der Reichsschrifttumskammer, konnte ungestört veröffentlichen und blieb von den Nationalsozialisten unbehelligt), emigrierte er 1933 in die Schweiz und erwarb 1934 den Bauernhof Bondegaard auf Bornholm in Dänemark, den er bis 1950 bewirtschaftete. Auf Bornholm verfasste er auch den größten Teil seines Hauptwerkes Fluß ohne Ufer, einer gewaltigen Trilogie von über 2000 Seiten, deren letzten Band Epilog er nicht abschloss. 1950 kehrte er zurück nach Hamburg und setzte sich vor allem gegen die Entwicklung von Atombomben und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ein. 1956 reiste er nach Moskau, 1959 verstarb er in Hamburg an einem Herzinfarkt. Sein letzter, wiederum unvollendeter Roman Jeden ereilt es erschien erst posthum 1968, die Erzählung Die Nacht aus Blei, ein Auszug daraus, erschien bereits 1956.
Im Zentrum von Jahnns Werk steht durchgehend die existentielle Angst vor dem Dasein, die dem Menschen unauflöslich bleibt und nur vom Eros und der Liebe konterkariert werden kann. Der Verlust von Liebe und Sexualität ist daher immer ein tragischer Sturz in fundamentale Qualen über die reine Trauer hinaus. Diesen Pessimismus ergänzt Jahnn durch eine antichristliche, fast heidnische Ästhetik, welche sich gegen die Zivilisation zu Gunsten eines archaischen Mythos erhebt.
Mit seinem Werk ist Jahnn eine singuläre Erscheinung in der deutschen Literatur und lässt sich keiner Bewegung zuordnen. Die spätexpressionistischen Elemente in seinem Frühwerk überwand er schnell zu Gunsten eines originären Stils in der Art eines "magischen Realismus".
Hans Henny Jahnn ist einer der wichtigsten Vertreter der deutschsprachigen literarischen Moderne neben Musil, Bloch und Döblin. In seiner Dramatik, die sich antiker und biblischer Stoffe ebenso bedient wie des Themas der Kernspaltung, entwirft Jahnn ein Theater von elisabethanischer Wucht, das in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts – mit Ausnahme des Werkes von Heiner Müller – ohne Entsprechung geblieben ist.
Aber noch immer wird Hans Henny Jahnn von der Literaturwissenschaft als Stiefkind behandelt. In der Beurteilung seiner Werke haben sich seit jeher die Gemüter der Kritiker erhitzt: Von totaler Ablehnung der "maßlos schwelgerischen Perversität eines krankhaften Gehirns" bis hin zu begeisterter Lobpreisung reichen die Reaktionen auf seine nur schwer zugänglichen Dramen und epischen Werke.
Unbestritten ist die Einzigartigkeit seines literarischen Schaffens. Hans Henny Jahnn war bewusst und durchaus gewollt ein Außenseiter: "Nur keine Literatur wie alle machen, nur das nicht, was man einem in der Schule als Dichtung eintrichtert, nur ja nicht jene Sprache." Seine exponierte und ablehnende Haltung, seine Revolution gegenüber dem "klassischen" Literaturbetrieb, gegenüber allem bürgerlich Konventionellen, sowie die übertriebene Erhöhung der eigenen Person als Kompensation eines Minderwertigkeitskomplexes haben gewiss biographische Ursachen.
Zur Musik
Der Gedanke einer wort- und handlungsbegleitenden bzw. –intensivierenden Musik stand am Anfang des Konzeptes, ihr den gliedernden und stimmungsausklingenden Part ebenfalls zuzuweisen. Dies bedeutet, geeignete vorhandene Musik zu suchen, zu bearbeiten, eine geeignete musikalische Besetzung auf die Beine zu stellen.
Die zwar aus dem Norwegischen stammende, gleichsam aber jede innengeprägte bäuerliche Struktur anrührende Handlung braucht stimmungstiefe Musik; die norwegische erfüllt geradezu prototypisch diese Anforderung. Der Zufall ergab den Rest: Ein Mitglied aus dem Musikertrio mit skandinavischen Wurzeln – reiche Verfügbarkeit norwegischer Melodien – mit Geige, Akkordeon und Kontrabass eine Besetzung, die sehr landestypisch ist und auch in unseren Breiten nicht als exotisch über das Schauspiel sich hermachen würde – daraus eine Musik in dienender Absicht. Die Einstreuung einer barocken Übertragung und von vier eigenen Beiträgen sollen das norwegische Gepräge ein wenig betupfen.
Die ausführenden Musiker/-in sind als Lehrer/Schüler/Ehemalige der Musikschule des Landkreises Tirschenreuth zugehörig.
Maximilian Schnurrer
Menschenbeifall
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
da ich stolzer und wilder,
wortreicher und leerer war?
Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
an das Göttliche glauben
die allein, die es selber sind.
Friedrich Höldrlin
„... Und ich bin dafür, ganz einfache Sachen zu
machen. Aber sie müssen trotzdem schön sein.“
Rainer Werner Fassbinder 1969
Zur Inszenierung
„Es ist wie es ist, und das ist fürchterlich.“
H. H. Jahnn
Die „Armut“ ist ein Theaterstück „über die dunkle Macht des Eros“ schrieb Hans Henny Jahnn, „die Liebe ist ein grausames Hilfsmittel der Natur für ihre Zwecke“. Aber der Mensch kann sich aus der Abhängigkeit von der Natur erlösen, er kann heraustreten aus der Unmündigkeit seiner Vorurteile gegen sich selbst und die Zusammenhänge des Seins.
Statt den typisch existenzialistischen Themen wie Liebe, Krankheit, Mord und Tod, geht es in meiner Interpretation mehr um die sozialen und psychologischen Koordinaten, um die psycho-soziale Verfasstheit zwischen den handelnden Figuren; ganz im Sinne der klassischen Moderne und der kritischen Theorie. So treten die archaischen und nordischen Mythologien in den Hintergrund. Keine Bodenschwere soll den Blick auf das von heute aus Wesentliche von Hans Henny Jahnns Stück verstellen: die Beziehungslinien zwischen den Figuren, ihre Verzweiflung, ihr Unbehagen und ihre Unmündigkeit in Lebensentscheidungen, ihre verworfene Moralität, ihr Leiden an der Leidenschaft. Die Entscheidung, sich mit diesem Jahnn-Stück zu beschäftigen, war die diesem Stück zu Grunde liegende Idee, dass jeder Einzelne auf Grund bewusst getroffener Entscheidungen, sein „Schicksal“ selbst in die Hand nehmen kann. Jahnns Kulturkritik übernehme ich nicht, wiewohl ich seinen Pessimismus und seine kritischen Positionen gegen bürgerliche Konventionen teile.
Theaterkünstler können neben der alltäglichen Lebenswirklichkeit eine symbolische, eine metaphysische Nebenwirklichkeit erschaffen, in der die großen Fragen der Gerechtigkeit distanziert und nach objektiven Kriterien verhandelt werden. Weniger Katharsis, mehr Bewusstsein erwirtschaftet der künstlerische Bedeutungsüberschuß einer modernen Theaterarbeit nach der kritischen Theorie; Realismus und nicht Naturalismus, richtiges Denken und Handeln und nicht vordergründige Wahrheiten. Gleichzeitig schaffen wir eine individuelle „Gegenwirklichkeit“ im Sinne einer beruhigenden Betrachtung des eigenen Handelns und Erlebens, gegen jegliche Theoriefeindlichkeit und für eine bessere Welt.
So leisten wir Künstler einen leidenschaftlichen Beitrag zur „Entbarbarisierung“ der Gesellschaft.
Nikol Putz
„Kein Weinen schmilzt den Panzer, übrig ist nur das Gesicht, dem die Tränen versiegen. Das liegt auf dem Grund eines künstlerischen Verhaltens, wie es jene als inhuman denunzieren, deren Menschlichkeit bereits in Reklame fürs Unmenschliche übergegangen ist, auch wenn sie es noch gar nicht ahnen.
Theodor W. Adorno
Danke!
Wir danken für die freundliche finanzielle und sachliche Unterstützung:
Ein besonderer Dank richtet sich an die Familienangehörigen aller Mitwirkenden und die unzähligen Freunde und Helfer unserer Theaterarbeit, für ihre Anteilnahme, Geduld und Unterstützung.
„Ich schämte mich, als ich zum ersten Mal im Tierpark die großen Sibirischen Tiger eingesperrt sah, die über mich hinwegschauten. Mir stieg das Blut in den Kopf, dass ich vermeinte, er würde mir zerplatzen, und lief davon. Bald darauf aber kehrte ich zum Käfig zurück und bemühte mich, ihnen klar zu machen, dass ich an ihrer Gefangenschaft nicht schuld sei, aber sie glaubten mir nicht, sie wollten mich nicht hören, sie meinten, ich hätte wohl auch Eintrittsgeld bezahlt, den Zins, darum sie gefangen saßen. Da begann ich entsetzlich zu weinen und flehte, dass ich doch möchte die Tigersprache kennen; aber ich musste ihnen endlich auf Deutsch sagen, dass ich sie sehr, sehr liebte, dass ich zu ihnen wollte, um ihnen das Fell zu lecken, und dass sie mich auch fressen dürften - nur glauben sollten sie mir, dass ich sie lieb hätte und nicht schuld wäre an ihrer Gefangenschaft. Ich weinte so sehr vor ihnen und wollte sie befreien; aber ich sah wohl ein, dass es nicht anging, man würde sie erschießen. So bin ich dann noch zwei- oder dreimal an ihrem Käfig gewesen und habe ihnen meine ganze Traurigkeit angeboten, sie möchten fröhlich sein, aber sie lehnten es ab.“
Hans Henny Jahnn: Aus dem norwegischen Tagebuch
„Es ist gut, wenn man oft und lange allein ist; aber es ist nicht gut, wenn man einsam ist. Die Einsamkeit führt zur Lebens- und Schaffensuntauglichkeit, bestenfalls zur Philosophie, der die sinnliche Komponente, das Abgetastete fehlt. Ich denke zuweilen, dass die Absage an den Tastsinn, die ja unter unseren Himmelsstrichen die kristliche Religion kennzeichnet, die Wurzel vieler Plagen ist und die brutale Form sadistischer Akte geradezu züchtet. Denn es gibt ja keine echte Liebe, weder zu Menschen, zu Tieren, zu Bäumen, zum anderen und zum gleichen Geschlecht, die nicht nach der zärtlichen Berührung verlangte. Selbst die Engel „ringen“ und wirken durch Berührung und üben so den Beischlaf des Geistes.“
aus: Der Briefwechsel Hans Henny Jahnn und Ernst Kreuder, 1948 – 1959, Hrsg. Jan Bürger
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