Zur Fachberatung für Laientheater in der Oberpfalz
Die Laien- oder Amateurbühnen in der Oberpfalz sind seit jeher von hoher Bedeutung für das gesellschaftliche Leben in den einzelnen Kommunen. Sie wirken als Bindeglied zwischen Altersgruppen und sozialen Gruppierungen, fördern kulturelle Aktivität und Phantasie bei den Akteuren und verbinden eine Ortsgemeinschaft, deren aktuelles Geschehen nicht selten in die künstlerische Darstellung auf der Bühne mit einbezogen wird. Ebenso ermöglichen sie, die Neigung zum Komödiantischen auszuleben, die den altbayerischen Menschen offensichtlich auch in der Oberpfalz prägt. Die Laienbühnen bilden mit ihrem Umkreis kulturelle Kleinzentren, die für den gesamten ländlichen Raum von eminent wichtiger Bedeutung sind. In nicht wenigen Fällen sind aus ursprünglich kleinen Vereinsbühnen, die sich hauptsächlich dem Bauernschwank und der ländlichen Komödie widmeten und häufig nur eine Vorstellung im Jahr gaben, größere Laienspielbühnen entstanden, die in einen regelrechten Festspielbetrieb oder auch in einem ganzjährigen Spielplan allmählich die nahezu gesamte Bandbreite der dramatischen Gattung auf die Bühne bringen konnten. Der Bogen spannt sich vom antiken übers klassische Drama bis hin zu modernen Stücken der Gegenwartsliteratur. Kein Genre ist dabei ausgelassen.
Diese Entwicklung ist auch von einer Beratungsstelle für das Laienspiel auf Bezirksebene ausgegangen, die wohl für einzelne Theatervereine Impulse gegeben hat und seit langem mit einem breiten Angebot an Fortbildung für Laiendarsteller und Regisseure die Entwicklung beeinflusst.
Am Anfang stand das intensive Besuchen, Beobachten und Kontakteknüpfen des damaligen Bezirksheimatpflegers, Dr. Adolf J. Eichenseer, der sich stets auf die Hilfe seiner fachkundigen Ehefrau Erika Eichenseer stützen konnte. 1978 wurden in einer Umfrage an alle Oberpfälzer Gemeinden Auskünfte über Bestand und Programm von damals existierenden Laienspielgruppen eingeholt. Es hatten sich bald an die 400 interessierte Gruppen zurückgemeldet. Ihre Angaben zu den Spielinhalten wurden damals in vier Kategorien aufgegliedert, die hier kurz zitiert werden sollen:
? Bauernschwank, ländliche Komödie: ca. 75 %
? Klassische Komödien und ernste Spiele ca. 10 %
? Junges Theater
(Experimentiertheater, kritische Zeitstücke) ca. 5 %
? Freilichttheater, regional verschieden,
in manchen Räumen stark anwachsend: ca. 10 %
Frau Erika Eichenseer, die ihrem Mann als Bezirksheimatpfleger bald auch beruflich zur Seite stand, gab seit 1985 ein Informationsblatt für Laienspieler in der Oberpfalz heraus, um die Ergebnisse der Fortbildungsseminare allen Laienspielbühnen zugänglich zu machen und die gegenseitigen Kontakte zu intensivieren. In diesem Informationsblatt, das bis 1994 herauskam, wurden immer wieder Fachbeiträge von professionellen Literatur- und Theaterleuten veröffentlicht, die sehr praktischer Natur waren und von der Stückeauswahl über Regiearbeit, Kulissen, Kostüme, Beschallung, Scheinwerfer, Schminke, Spieltechniken bis hin zur Bewerbung und termingerechten Aufführung alle Bereiche der Theaterarbeit umfassten.
Ab 1990 war die Entwicklung besonders der großen Festspielbühnen soweit gediehen, dass nach einem professionellen Theaterfachmann gesucht wurde, der die Weiterbildung und Beratung der Oberpfälzer Laienbühnen leiten sollte. Die Wahl fiel damals auf Johannes Reitmeier, der sich schon einen Namen beim Profitheater erworben hatte und darüber hinaus dem Laientheater der Region sehr verbunden war. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang seine originellen Inszenierungen von Klassikern auf der Kötztinger Waldbühne wie etwa "Faust", "Die Räuber", "Woyzeck" und "Macbeth", deren Textbücher er bearbeitet und kongenial in regional gefärbtes Bayerisch übersetzt hatte. Johannes Reitmeier, der heute Intendant des Pfalztheaters in Kaiserslautern ist, übte im Zeitraum zwischen 1990 und 1992 die Tätigkeit eines Fachberaters für das Laienspiel in der Oberpfalz mit viel Engagement und gutem Erfolg aus. Seine Aufgaben bei professionellen Bühnen wurden umfangreicher, so dass er 1992 seinen Vertrag als Laienspielberater des Bezirks nicht mehr verlängern konnte.
1994 traten Bezirksheimatpfleger Dr. Adolf J. Eichenseer und seine Ehefrau und Mitarbeiterin Erika Eichenseer in Ruhestand. Dem Nachfolger und derzeitigen Bezirksheimatpfleger, Dr. Franz Xaver Scheuerer, stand die Stelle von Frau Eichenseer nicht mehr zur Verfügung, was auch die Einstellung der Redaktion des Informationsblattes in der damaligen Form zur Folge hatte. Nach einer Phase der Orientierung, Kontaktierung und gemeinsamer Besprechungen auf breiter Ebene entschloss sich Dr. Scheuerer, wieder einen professionellen Theaterfachmann für die Laienspielberatung zu gewinnen. Der Bezirkstag der Oberpfalz gab dankenswerter Weise grünes Licht für einen professionellen Laienspielberater. Die Wahl fiel auf den Profiregisseur Nikol Putz, der seit 1996 beim Bezirk Oberpfalz als Fachberater für Amateurtheater tätig ist. Herr Nikol Putz, der schon am Hamburger Schauspielhaus und am Wiener Burgtheater gearbeitet hat und an vielen anderen professionellen Bühnen tätig ist, leistet seitdem eine engagierte Arbeit, die vielen Laienspielbühnen in der Oberpfalz zugute kommt. Das Repertoire und die Spielkompetenz vieler Gruppen umfasst jetzt vermehrt auch Theaterstücke moderner Autoren. Aber auch kleinste Bühnen, die noch eher zaghaft über das herkömmliche Bauern- oder Boulevardstück hinausgehen, finden beim Laienspielberater immer ein offenes Ohr für ihre Anliegen und können vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten. Vor allem telefonisch werden seine Ratschläge gefragt und gerne angenommen.
Anstelle des ehemaligen Informationsblattes werden von der Fachberatung einmal jährlich ein Rundbrief und zweimal jährlich ein Terminkalender versandt, der über alle Termine der angemeldeten Gruppen informiert. Außerdem wurde diese Internetseite eingerichtet, die von Herrn Nikol Putz betreut wird. Zur Entwicklung der Laienspielpflege ist hinzuzufügen, dass der Bezirksheimatpfleger 1996 angeregt hatte, ehrenamtliche Laienspielpfleger auf Kreisebene zu nominieren und den Kreisheimatpflegern zur Seite zu stellen. Die Maßnahme wurde von den meisten Landratsämtern umgesetzt.
Dr. Franz Xaver Scheuerer
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Ich möchte an dieser Stelle als Bezirksheimatpfleger dem Laienspielberater und allen Beteiligten für ihre wertvolle Arbeit im Laientheater herzlich danken. Sie alle tragen als Profi oder Laie des Theaters dazu bei, ein wertvolles Kulturgut zu pflegen, ohne das die gesamte Gesellschaft in unserer Heimat viel ärmer wäre.
Dr. Franz Xaver Scheuerer
Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz
von 1994 bis 2012
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